berliner hochschulgesetz.
diese reform macht die uni noch exzellenter.
“Jetzt gilt es das neue Gesetz visionär umzusetzen. (…) Ein neuer, anderer Blick durch eine neue Hochschulleitung wird das schaffen.” Mit diesen Worten kündigte die Präsidentin der Humboldt-Universität, Sabine Kunst, kürzlich ihren Rücktritt an. Das Gesetz, auf das sie sich bezog, ist das neue Berliner Hochschulgesetz. Es polarisiert über Berlin hinaus. Es verhindere, so schrieb Kunst letzte Woche an dieser Stelle, exzellente Wissenschaft in der Hauptstadt.
Mit dem neuen Gesetz werden bisher befristete Stellen mit einem sogenannten Tenure-Track versehen: Erreicht eine hoch qualifizierte Wissenschaftlerin in den Jahren nach ihrer Promotion vorher festgelegte Ziele, wird ihre Stelle entfristet. So sollen die vielversprechendsten Wissenschaftler früh für Berlin gewonnen und langfristig gefördert werden.
Diese Form der Personalentwicklung ist in der Wissenschaft keineswegs üblich. Im Schnitt verbringen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwischen Promotion und Erstberufung zehn Jahre auf zahlreichen befristeten Stellen – meist an unterschiedlichen Hochschulen und ohne Perspektive, egal welche wissenschaftlichen Durchbrüche sie erzielen. Die Frustration darüber entlud sich Mitte dieses Jahres unter anderem in der #IchBinHanna-Initiative.
Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verlassen ihre Universitäten wegen dieser beruflichen Unsicherheit oder führen ihre Arbeit im Ausland weiter. In den USA, Großbritannien oder den Niederlanden sind die Karrierewege oftmals mit mehr Weitblick gestaltet und daher attraktiver. Deutschland verliert dabei viele Talente, unter ihnen überproportional viele Frauen. Zum Teil werben die Universitäten diese später für viel Geld wieder ab und berufen sie im späten Karriereverlauf zurück.
Berlin will mit seinem neuen Hochschulgesetz zukünftig eine andere Strategie verfolgen und damit die Exzellenz des Wissenschaftsstandortes stärken. Anstatt immer neue promovierte Forscherinnen und Forscher über jeweils kurze Zeiträume hinweg befristet zu beschäftigen, neu einzuarbeiten, um auch die Besten dann – auf der Suche nach besseren Karriereperspektiven – weiterziehen zu sehen, sollen nachhaltige Personalstrukturen eingeführt werden.
An der Humboldt-Universität gibt es zurzeit knapp 250 Stellen, die von der neuen gesetzlichen Regelung betroffen sind. Das entspricht etwa einem Zehntel aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität. Für diese sollen zukünftig Perspektiven geschaffen werden. Doch warum sieht sich eine Präsidentin, die bisher mit Tatendrang so vieles bewegt hat, außerstande, diese überfällige Modernisierung umzusetzen?
Weil die Zukunft der Universität eine tiefgreifende Reform der Personalstruktur erfordert. Bislang funktioniert es so: Wird ein erfolgreicher Wissenschaftler zum Professor berufen, stehen ihm Mitarbeiter zu, die ihn unterstützen und die er nach eigenem Belieben einstellen kann. Und zwar alle paar Jahre aufs Neue. Dabei steigt das Prestige dieser Professur mit der Anzahl der ihm zugeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Hier braucht es ein Umdenken. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dürfen nicht mehr als temporäre Ausstattung angesehen werden – sondern sie sind gleichberechtigte Kolleginnen und Kollegen, die selbstständig forschen und lehren.
Wir müssen also über die Verteilung von Privilegien neu nachdenken. Und wir müssen Zielkonflikte lösen, die viele Gespräche über Statusgruppen und Institute hinweg und ein Miteinander aus Politik und Universität erfordern. Immerhin: In den Gremien der Universität laufen diese Gespräche bereits.
Sabine Kunst hat recht: Die Reform akademischer Karrierewege ist eine Aufgabe für die nächste Dekade, und zwar nicht nur in Berlin, sondern an allen deutschen Universitäten. Es wird ein Kraftakt für alle Beteiligten – den wir gemeinsam schaffen können. Unser Wissenschaftsstandort wird danach exzellenter sein als zuvor.
Dieser Text wurde als Gastbeitrag in der ZEIT veröffentlicht.