Wie weit der Weg hin zur Geschlechtergerechtigkeit noch ist, wurde in den letzten Tagen erneut bei der Vergabe der Nobelpreise deutlich. Zwölf Preisträger gab es in diesem Jahr: Zehn männliche Wissenschaftler, eine Schriftstellerin und eine Organisation wurden ausgezeichnet.

Die Dominanz von Männern unter den Preisträgern ist nicht ungewöhnlich. Männer seien früher, als die aktuell ausgezeichneten Entdeckungen gemacht wurden, eben in der Wissenschaft in der überwältigenden Mehrheit gewesen – so lautet die häufig geäußerte Erklärung.

Dabei sollten die Nobelpreise ursprünglich an jene gehen, die während des letzten Jahres den größten Nutzen für die Menschheit erbracht haben. Von diesem Prinzip haben sich die Entscheidungsgremien längst verabschiedet: Ausgezeichnet werden Menschen oft für Ideen, die Dekaden alt sind.

Tatsächlich kann dies die Überzahl männlicher Preisträger aber nicht erklären: Einer Studie von Per Lunnemann und Kolleginnen zufolge sind Frauen unter den Preisträgern auch dann erheblich unterrepräsentiert, wenn man den weiblichen Anteil in der jeweiligen Fachdisziplin zum typischen Zeitpunkt der ausgezeichneten Ideen berücksichtigt.

Der Kreis derjenigen, die Personen für einen Nobelpreis vorschlagen können, wurde zwar mittlerweile (auch) um Frauen vergrößert. Dadurch gibt es heutzutage deutlich mehr Frauen unter den Nominierten als früher. Da Nominierte jedoch mehrere Jahre auf ihre wissenschaftliche Exzellenz geprüft werden, sind potenzielle Erfolge dieser Maßnahme aber erst deutlich verzögert zu erwarten.

Der Geschlechterbias mag bei der kleinen Zahl an Ausgezeichneten verschmerzbar wirken. Schließlich werden die meisten Menschen nie einen Nobelpreis erhalten. Auch dann nicht, wenn sie sich im großen Umfang für das Wohl der Menschheit einsetzen. Doch verdeutlicht das Ungleichgewicht, was viele von uns immer wieder im Alltag beobachten: Frauen werden in der Wissenschaft noch zu häufig übersehen.


Dieser Artikel wurde zuerst im Tagesspiegel veröffentlicht. Er ist Teil der Kolumne “Vom Campus”, in der ich alle 4 Wochen einen Text veröffentliche.