alles nur ein missverständnis?
aus der tagesspiegel-kolumne 'vom campus'.
Sehr unangenehm muss das für Bettina Stark-Watzinger sein, zum Wissenschaftsjahr 2024, das sie ausgerechnet dem Thema „Wissenschaftsfreiheit“ gewidmet hat, durch die Republik zu tingeln. Denn dass die Wissenschaftsfreiheit von ihrem Ministerium geschützt wird, wird gerade offen angezweifelt.
Über 3000 Wissenschaftler:innen fordern mittlerweile ihren Rücktritt. Ihr Vorwurf: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wolle Wissenschaftler:innen aufgrund ihrer politischen Überzeugungen Forschungsgelder entziehen.
Das sei natürlich nur ein Missverständnis, heißt es von der Spitze des Ministeriums. Und tatsächlich sprechen geleakte Chats dafür, dass sich die Ministerin intern explizit von solchen Maßnahmen distanzierte, noch bevor die Debatte öffentlich ins Rollen kam.
Trotzdem kommt die Wissenschaftscommunity nicht zur Ruhe: Die Forderung nach personellen Konsequenzen erwischte statt der Ministerin ihre Staatssekretärin Sabine Döring. Deren Entlassung beruhigte die Gemüter jedoch nicht. Wohl auch deshalb, weil es sich bei ihr um eine Wissenschaftskollegin handelt: Döring war zuvor Philosophie-Professorin in Tübingen und auch nach ihrem Wechsel in die Politik von vielen Wissenschaftler:innen hoch angesehen.
Der Frust unter Wissenschaftler:innen mag zusätzlich daher rühren, dass die „Fördergeld-Affäre“ schon die zweite in der Amtszeit der Ministerin ist: Bereits vor 2 Jahren türmte sich der Frust, als Bettina Stark-Watzinger Fördermittel strich, die sie wenige Monate zuvor noch in Aussicht gestellt hatte. Junge Forschende standen damals plötzlich ohne den angekündigten Arbeitsvertrag da.
Da bleibt nur zu hoffen, dass Bettina Stark-Watzinger bald endlich auch mal mit positiven Neuigkeiten für die Wissenschaft Schlagzeilen macht, zum Beispiel mit einem modernisierten Wissenschaftszeitvertragsgesetz.
Dieser Artikel wurde zuerst im Tagesspiegel veröffentlicht. Er ist Teil der Kolumne “Vom Campus”, in der ich alle 4 Wochen einen Text veröffentliche.