Kürzlich empfahl der Wissenschaftsrat, die prekären Rahmenbedingungen der Gender Studies zu verbessern. Die gesellschaftliche Relevanz dieses interdisziplinären Forschungsfeldes lässt sich kaum überschätzen: sei es bei der geschlechtersensiblen Gesundheitsversorgung, bei Fragen zu Gender Pay Gap und Frauenquoten, den Ursachen und Folgen von Sexismus und sexualisierter Gewalt, der Repräsentation von Geschlechtern oder geschlechtlicher Vielfalt – überall tragen Theorien und empirische Befunde der Gender Studies bei.

Berlin ist bei den Gender Studies Deutschlands Vorreiterin: An der Freien Universität Berlin wurde 1981 eines der ersten interdisziplinären Zentren für Frauenforschung gegründet, 1997 wurde an der Humboldt-Universität zu Berlin der erste entsprechende Hauptfachstudiengang eingerichtet und 2007 wurde an der Charité das erste Zentrum „Gender in Medicine“ gegründet. Noch heute ist Berlin der einzige Hochschulstandort, an dem man explizit in den Gender Studies promovieren kann.

Gleichzeitig werden die Gender Studies noch zu häufig auf eine Rolle als reine Dienstleisterin für die Förderung von Gleichstellung reduziert, anstatt ihre volle Bedeutung auch für die Grundlagenforschung anzuerkennen. Und oftmals fehlt es an langfristiger institutioneller Verankerung, wenn zum Beispiel bestehende Gender Studies-Professuren zugunsten anderer Fächerschwerpunkte abgeschafft werden, anstatt – wie vom Wissenschaftsrat angeregt – die Zahl der Professuren in diesem Bereich auszubauen.

Eine besondere Rolle kommt den Gender Studies auch als „kritische Wissenschaft“ zu, die geschlechtsspezifische Ungleichheiten im Wissenschaftssystem reflektiert. Wie wichtig das ist, zeigt die aktuelle Debatte unter dem Hashtag #metoohistory, mit dem sexistische Strukturen in der Geschichtswissenschaft angeprangert werden, die aber natürlich auch in anderen Fächern weiterhin bestehen.

Es gibt viele gute Gründe – auch und gerade in Berlin – die Empfehlungen des Wissenschaftsrates ernst zu nehmen und die Gender Studies zu stärken.


Dieser Artikel wurde zuerst im Tagesspiegel veröffentlicht. Er ist Teil der Kolumne “Vom Campus”, in der ich alle 4 Wochen einen Text veröffentliche.