„Wir brauchen eine neue geteilte Vision“, twitterte die BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring, nachdem im März der Vorschlag der Koalition zum neuen Wissenschaftszeitvertragsgesetz innerhalb weniger Stunden einen Sturm des Protests aus allen Richtungen hervorrief. Es sah vor, Wissenschaftler:innen nach der Promotion für drei (statt bisher sechs) weitere Jahre befristet zu beschäftigen – ein fauler Kompromiss, da dieser Zeitraum weder zur Habilitation reicht noch frühzeitige Perspektiven schafft.

Einen neuen Vorschlag gibt es nun: Vorgesehen sind jetzt vier Jahre Befristung nach der Promotion, gefolgt von zwei weiteren Jahren der Befristung, sofern die Aussicht auf eine anschließende Entfristung besteht. Unklar ist, was in diesen zwei Jahren zusätzlich geleistet werden könnte, das in den zehn Jahren der befristeten Promotions- und Postdoc-Zeit zuvor noch nicht absehbar war.

Von einer geteilten Vision hat man sich dabei noch weiter entfernt: Während der erste Vorschlag zumindest den Rückhalt der drei Koalitionspartner genoss, steht das FDP-geführte BMBF nun allein da. Auch formierte sich wieder erheblicher Protest der Wissenschaftler:innen: Über 1000 Professor:innen schlagen gegen den Vorschlag Alarm und fordern die Umwandlung befristeter in unbefristete Stellen für promovierte Wissenschaftler:innen.

Für Berlin ist die anhaltende Unfähigkeit, einen tragbaren Kompromiss auszuhandeln, besonders bitter, denn die neue schwarz-rote Koalition verschiebt die – von der alten Koalition beschlossene – Verbesserung der Situation für Postdocs auf die ferne Zukunft nach einer Einigung zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Die Präsidentin der TU Berlin fand dazu auf Twitter die richtigen Worte: „Also Berlin hat für sein Hochschulgesetz gerade beschlossen, auf den Bund zu warten. Quasi – wir warten auf die, (…) die darauf warten, dass wir aufhören zu warten“.


Dieser Artikel wurde zuerst im Tagesspiegel veröffentlicht. Er ist Teil der Kolumne “Vom Campus”, in der ich alle 4 Wochen einen Text veröffentliche.