lehrverpflichtung: berlin muss neue spielräume nutzen.
aus der tagesspiegel-kolumne 'vom campus'.
Jeden Tag unterrichten Professor:innen an Berliner Universitäten typischerweise für zwei Stunden Studierende. Hinzu kommen Vor- und Nachbereitungen, Prüfungen und die Betreuung von Abschlussarbeiten. Insgesamt beläuft sich der Anteil der Lehre laut Studien auf etwa 40 Prozent der Arbeitszeit.
Darüber hinaus braucht es Zeit zum Forschen und Einwerben von Forschungsgeldern, für Wissenschaftskommunikation, Gutachten und Gremiensitzungen. Kein Wunder, dass sich das zu einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 55 Stunden pro Woche summiert. Und dass darunter die Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie leiden.
Jetzt ist eine gute Gelegenheit, das zu ändern: bei der anstehenden Überarbeitung der LVVO – der Lehrverpflichtungsverordnung. Diese regelt, wie viel Zeit für die Lehre vorgesehen wird. Für Berliner Professor:innen sind das neun Stunden pro Woche plus die Betreuung von Abschlussarbeiten. Das ist vergleichsweise viel. In Niedersachsen sind es zum Beispiel nur acht Stunden, zwei davon für Betreuungstätigkeiten, sodass nur drei Lehrveranstaltungen pro Woche verbleiben.
Berlin sollte sich das zum Vorbild nehmen und Betreuungstätigkeiten auf die Lehrverpflichtung anrechnen. Ohnehin führt das neue Berliner Hochschulgesetz zu mehr entfristeten Stellen und damit zu mehr Lehrkapazität, sodass Spielraum entsteht, den Aufwand für die Betreuung von Abschlussarbeiten zu würdigen.
Und für die Professor:innen, die – eine weitere Folge des neuen Hochschulgesetzes – im Privileg eigener Mitarbeiter:innen eingeschränkt werden, wäre es ein angemessener Tausch: Mehr Forschungszeit für weniger Personalverantwortung. Das könnte zu einem echten Standortvorteil für Berlin werden.
Dieser Artikel wurde zuerst im Tagesspiegel veröffentlicht. Er ist Teil der Kolumne “Vom Campus”, in der ich alle 4 Wochen einen Text veröffentliche.