über fragmentierte liebesleben.
aus dem psychologie heute-blog 'der psychologische blick'.
Die Suche nach der großen Liebe gestaltet sich manchmal wie die vergebliche Suche nach der sogenannten eierlegenden Wollmilchsau. Statt zu resignieren hat meine Freundin Anna ihr Liebesleben perfektioniert indem sie es vor einiger Zeit fragmentierte. Unterschiedliche Bedürfnisse, die sich in einer klassischen Partnerschaft exklusiv an eine Person richten, werden in ihrem Leben auf drei Männer verteilt. Aber macht diese ‘Arbeitsteilung’ im Liebesleben glücklich?
Meine Freundin Anna hat ihr Liebesleben perfektioniert, indem sie es vor einiger Zeit fragmentierte. Unterschiedliche Bedürfnisse, die sich in einer klassischen Partnerschaft exklusiv an eine Person richten, werden in ihrem Leben auf drei Männer verteilt: (1) Ihre vergangene große Liebe, mit der sie ein Kind großzieht, aber nicht mehr zusammenlebt, (2) eine Affäre mit einem vergebenen Mann, mit dem sich das Bett, aber nicht der Alltag teilen lässt und (3) einer potenziellen großen Liebe (wie sie es nennt) mit der sie eine tiefe, aber ausschließlich platonische Beziehung pflegt.
Organisatorisch und emotional klingt das für mich nach einer Herausforderung. Andererseits erscheint es durchaus konsequent die vergebliche Suche nach der sogenannten eierlegenden Wollmilchsau zu lösen, in dem man sich – dieser Analogie folgend – einen Bauernhof zulegt. Den Männern gegenüber hat meine Freundin Anna keinerlei Verpflichtungen und bekommt von jedem das Beste. Aber macht diese ‚Arbeitsteilung‘ im Liebesleben glücklich? Aus psychologischer Sicht spricht zumindest einiges dafür, denn Diversität wirkt sich in vielen Lebensbereichen positiv auf das Wohlbefinden aus.
Nehmen wir zum Beispiel sogenannte Emotionships. So werden soziale Beziehungen genannt, die unterschiedliche Bedürfnisse bei der Emotionsregulation erfüllen. Der Partner eignet sich vielleicht hervorragend dazu, die eigene Ängstlichkeit zu mindern, während sich die beste Freundin eher dadurch auszeichnet, dass sie in traurigen Augenblicken aufheitern kann. Elaine Cheung und Kollegen fanden heraus, dass die Personen am glücklichsten sind, die möglichst viele Emotionships haben. Das Wohlbefinden ist also dann am höchsten, wenn eine Person, je nach Stimmungslage, auf unterschiedliche soziale Beziehungen zugreifen kann.
Auch fühlen sich Menschen besonders dann unterstützt, wenn sie sich einer großen Anzahl unterstützender Personen sicher sind, selbst wenn die individuelle Unterstützung sehr klein ist. Anstatt also alle Emotionen und Sorgen bei einer einzigen Person abzuladen, empfiehlt es sicher eher, ein möglichst diverses Netz an sozialen Kontakten aufzubauen, die alle einen kleinen spezialisierten Teil übernehmen. Sheldon Cohen und Denise Janicki-Deverts berichten sogar, dass Personen mit diverseren sozialen Netzwerken länger leben, widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten sind und sich von schweren Krankheiten besser erholen.
Aber zurück zur Liebe: Die Polyamorie wird weiter an Bedeutung gewinnen, erwartet Milosz Matuschek. In Zeiten der ‚Sharing Economy‚ wird eben nicht nur die Wohnung per Airbnb und das Auto per DriveNow geteilt, sondern auch der Lebensgefährte. Die romantische Dyade sei ja ohnehin nur eine Anhäufung unhaltbarer Versprechungen. Und wer weiß, vielleicht werden unsere Kinder später ebenso ungläubig den Kopf über das Verbot der Vielehe schütteln wie wir heutzutage über die erschreckend lange Verfolgung Homosexueller? Schließlich sei, so Matuschek, doch ohnehin alles seltsam, bevor es normal wird.
Was das Wohlbefinden betrifft, so zeigt sich dieses im Allgemeinen unbeeindruckt von der Monogamie und (einvernehmlichen) Polygamie. Denn ob eine Person monogam, polyamorös oder in einer offenen Beziehung lebt, wirkt sich laut Alicia Rubel und Anthony Bogaert nicht auf ihr Wohlbefinden aus. Meine Freundin Anna erhofft sich dagegen noch Luft nach oben und sieht ihr fragmentiertes Liebesleben als Übergangszustand beim Warten auf den exklusiv geliebten Traumprinzen.
Zum Weiterlesen
- Cheung, E. O., Gardner, W. L., & Anderson, J. F. (2015). Emotionships: Examining people’s emotion-regulation relationships and their consequences for well-being. Social Psychological and Personality Science, 6, 407-414.
- Cohen, S., & Janicki-Deverts, D. (2009). Can we improve our physical health by altering our social networks?. Perspectives on Psychological Science, 4, 375-378.
- Rubel, A. N., & Bogaert, A. F. (2015). Consensual nonmonogamy: Psychological well-being and relationship quality correlates. Journal of Sex Research, 52, 961-982.
Dieser Text wurde zuerst im Psychologie Heute-Blog veröffentlicht. Er ist Teil der Reihe “Der psychologische Blick”, in der zwischen Juli 2014 und Dezember 2017 vier bis sechs Kolumnist:innen - und ich war eine davon - über aktuelle Themen aus Alltag, Gesellschaft und Wissenschaft schrieben.