Ist dein Leben ein Glücksspiel? Oder bestimmt Gott dein Schicksal? Oder sitzt du vielleicht selbst am Schalthebel der Macht über Deine Zukunft? Zu diesen Fragen wird heute mal eine eigene frische Studie vorgestellt.

Während sich der eine selbstsicher als Meister seines Schicksals fühlt, führen viele andere Menschen die ups-and-downs in ihrem Leben auf ganz andere Ursachen zurück, zum Beispiel auf Glück oder Zufall oder mächtige andere Personen. Dann werden Daumen gedrückt oder das Pech verteufelt, böse Geister besänftigt oder auf den Holztisch geklopft. In der Persönlichkeitspsychologie spricht man bei diesen unterschiedlichen Ansichten von Unterschieden in der Kontrollüberzeugung: Menschen mit einer eher internalen Kontrollüberzeugung glauben im Allgemeinen selbst Kontrolle über Ihr Leben zu haben, während Personen mit einer eher externalen Kontrollüberzeugung sich wie eine Marionette unkontrollierbarer Mächte fühlen.

Der Frage nach den Unterschieden in der Kontrollüberzeugung bin ich, zusammen mit Boris Egloff und Stefan Schmukle, in einer aktuellen Studie nachgegangen, in der wir die umfangreichen Daten des Sozio-oekonomischen Panels benutzten. Dabei fanden wir heraus, dass Männer überzeugter als Frauen sind, Kontrolle über ihr Leben zu haben. Noch viel stärker unterscheiden sich allerdings Personen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund: Personen mit einem Haupt- oder Realschulabschluss haben eine deutlich externalere Kontrollüberzeugung als Personen mit einer abgeschlossenen Ausbildung oder einem Abitur.

Die Ursachen dafür sind vielfältig: Zum einen haben Männer und Frauen sowie Personen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund auch ganz objektiv unterschiedlich viel Kontrolle über ihr Leben, zum Beispiel durch einen unterschiedlichen Grad an Selbstbestimmung im Beruf. Teilweise ist die Situation aber auch komplexer: Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass sich Personen mit internaler Kontrollüberzeugung ambitioniertere Ziele setzen (weshalb sie auch höhere Bildungsabschlüsse anstreben) und auch erfolgreicher bei der Zielerreichung sind (also auch eher höhere Bildungsabschlüsse erreichen). Wie in einem positiven Teufelskreis wird die internale Kontrollüberzeugung dann ein weiteres Mal durch die Bildung erhöht. Hat man einen höheren Bildungsabschluss erreicht und damit häufig auch weniger finanzielle Probleme und mehr Gestaltungsspielraum im Beruf, hat man wiederum tatsächlich mehr Kontrolle über sein Leben.

In unserer Studie interessierten wir uns aber nicht nur für Unterschiede zwischen Personen, sondern auch für den Entwicklungsprozess dabei. Die Frage ist also: Ändern wir unsere Kontrollüberzeugung im Laufe des Lebens und wenn ja, wie? Aber erst einmal ein Schritt zurück: Die tatsächliche Kontrolle über das Leben sollte im Allgemeinen im Kindes- und Jugendalter ansteigen. Kann man erst einmal selbstständig laufen, essen, sprechen und später dann sogar einkaufen, kochen und Geld verdienen, dann übt der Mensch schon objektiv deutlich mehr Kontrolle über sein Leben aus als der zuckersüße, aber dennoch hilfsbedürftige Säugling. Und genau äquivalent verhält es sich tatsächlich auch mit der Kontrollüberzeugung: Bis zu einem Alter von ungefähr 40 Jahren wird die Kontrollüberzeugung im Allgemeinen internaler, die wahrgenommene Kontrolle über das Leben steigt also an.

Obwohl die Kontrollüberzeugung dann zwar im mittleren Erwachsenenalter absinkt, bleibt sie im höheren Erwachsenenalter erstaunlich stabil. Erstaunlich ist dies, weil die tatsächliche Kontrollierbarkeit des Lebens im höheren Alter wieder abnimmt. Der Körper wird schwächer, der Geist vielleicht zerstreuter und die Menschen erleben immer häufiger nicht kontrollierbare Ereignisse, wie zum Beispiel schwere Krankheit. Obwohl Menschen durch solche gesundheitlichen Veränderungen meist an ihrer Kontrolle zweifeln, haben wir nun herausgefunden, dass dies für ältere Menschen nicht mehr gilt. Das heißt, ältere Menschen glauben weiterhin Kontrolle über ihr Leben zu haben, auch wenn dies nicht mehr im gleichen Umfang zutrifft wie früher.

Das ist eine erfreuliche Entdeckung, denn die internale Kontrollüberzeugung geht mit zahlreichen Vorzügen einher, zum Beispiel mit besserer Genesung. Nur Personen, die glauben an ihrer Krankheit etwas ändern zu können, tun auch entsprechend etwas für ihren Körper, sodass die Gesundheit davon profitieren kann. Es zeigte sich auch in früheren Studien, dass Personen mit einer internalen Kontrollüberzeugung zufriedener sind und sogar länger leben. Bis auf wenige Ausnahmen (siehe eine frühere Studie von uns) ist es also durchaus wünschenswert, über eine möglichst internale Kontrollüberzeugung zu verfügen.


Weitere Informationen zum Artikel:

Perceived control is an important variable for various demands involved in successful aging. However, perceived control is not set in stone but rather changes throughout the life course. The aim of this study was to identify cross-sectional age differences and longitudinal mean-level changes as well as rank-order changes in perceived control with respect to gender and education. Furthermore, changes in income and health were analyzed to explain trajectories of perceived control. In a large and representative sample of Germans across all of adulthood, 9,484 individuals gave information about their perceived control twice over a period of 6 years. Using locally weighted smoothing (LOESS) curves and latent structural equation modeling, four main findings were revealed: (a) Perceived control increased until ages 30–40, then decreased until about age 60, and increased slightly afterwards. (b) The rank order of individuals in perceived control was relatively unstable, especially in young adulthood, and reached a plateau at about age 40. (c) Men perceived that they had more control than did women, but there were no gender differences in the development of perceived control. (d) Individuals with more education perceived that they had more control than those with less education, and there were slight differences in the development of perceived control dependent on education. Taken together, these findings offer important insights into the development of perceived control across the life span.

Link zum Paper:

Specht, J., Egloff, B., & Schmukle, S. C. (2013). Everything under control? The effects of age, gender, and education on trajectories of perceived control in a nationally representative German sample. Developmental Psychology, 49, 353-364.